Univ.-Prof. i.R. Dr. Inge Gampl

15.01.2019

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät trauert um ihre Altdekanin Univ.-Prof. i.R. Dr. Inge Gampl.

Nachruf:

Am 18. Dezember 2018 verstarb Frau Univ. Prof. Dr. Inge Gampl im 90. Lebensjahr.

Am 27. Juni 1929 in Berlin geboren, verbrachte Inge Gampl dort – wie aus Bemerkungen hin und wieder deutlich wurde – in den Jahren bis zu ihrer Übersiedlung nach Wien eine durchaus prägende Kindheit. Die im Zusammenhang mit der prekären Lage der Familie im nationalsozialistischen Unrechtsstaat gemachten Erfahrungen und ein hohes Maß an persönlicher Disziplin wurden zu bestimmendem Faktoren ihres beruflichen Werdeganges. Dies zeigte sich an ihrem Engagement für Rechtsstaatlichkeit sowie einem hohen Maß an Offenheit im Widerstreit der Meinungen und nicht zuletzt im beruflichen Miteinander.

Die wesentlichen Phasen des Aufbaus und Ausbaus des Instituts für Kirchenrecht nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte und bestimmte Inge Gampl als Mitarbeiterin von Willibald M. Plöchl von Anfang an mit. Nach ihrer Habilitation 1960 wurde sie im Jahre 1972 zur außerordentlichen Professorin ernannt und zur Leiterin der Abteilung für Staatskirchenrecht bestellt. Im Jahre 1980 erfolgte die Berufung als Nachfolgerin ihres Lehrers Plöchl.

Inge Gampls berufliche Lebensgeschichte ist in einer für erfolgreiche Frauen ihrer Generation charakteristischen Weise durch berufliche „Premieren“ gekennzeichnet, obwohl sie sich selbst einmal in einem Zeitunginterview als „Spätberufene in Sachen Emanzipation“ gesehen hat. So war ihre Gastprofessur zur Lehrkanzelvertretung an der Katholisch-theologischen Fakultät in Mainz im Sommersemester 1966 ein Novum: Sie war damit die erste Frau, die formell an einer Katholisch-theologischen Fakultät des deutschen Sprachraums der mit einem Ordinariat verbundenen Lehrverpflichtung nachkam. Schließlich wurde sie für das Studienjahr 1990/1991 als erste Frau in der Geschichte der Universität Wien in das Amt des Dekans gewählt. Das erfolgreiche Wirken der Dekanin fand nicht zuletzt auch darin seinen Ausdruck, dass sie während ihrer Amtszeit eine deutlich bessere personelle und sachliche Ausstattung der notorisch unterdotierten Wiener Rechtswissenschaftlichen Fakultät erreichen konnte.

Der Name Gampl ist in Österreich untrennbar mit einer Blütezeit des Faches Staatskirchenrecht verbunden. Für Generationen von Juristen sind die religiöse Neutralität bzw Säkularität des Staates, die von ihr erarbeitete Umschreibung der inneren Angelegenheiten der Kirchen  und Religionsgesellschaften sowie der Begriff des „Konkordatskirchenrechts“ mit dem Fokus auf jene Konkordatsmaterien, die in die staatliche Rechtsordnung hineinwirken,  zu einem festen Bestandteil juristischen Wissens geworden. Ihre Sicht des Faches als eine über das traditionelle Kultusrecht hinausgehende Querschnittsmaterie hat die Richtung zu einem neuen Verständnis im Sinn eines umfassenden Religions- und Weltanschauungsrechts in einer zunehmend multikonfessionellen Gesellschaft gewiesen.

Der Weg zur Staatskirchenrechtlerin war für Inge Gampl keineswegs vorgezeichnet, als sie sich 1960 für das Fach Kirchenrecht habilitierte. Aus der Mitarbeit bei Willibald M. Plöchl resultierte zunächst ein rechtshistorischer Schwerpunkt. Als sich im Wintersemester 1963/64 jedoch die Notwendigkeit ergab, das Fach Staatskirchenrecht zu betreuen, wurde diese Aufgabe der jungen Dozentin übertragen, die sie mit großer Begeisterung übernehm. Nach kurzer Zeit gestaltete sie das Staatskirchenrecht zu einem wesentlichen Teil des Faches Kirchenrecht um.  Dies fand dann in dem im Jahre 1972 erschienenen Standardwerk „Österreichisches Staatskirchenrecht“ seinen Niederschlag. Darin hat sie das Verhältnis von Staat und Kirche, wie es sich in Österreich in der 2. Republik ausgebildet hatte, als ein „System der demokratisch-paritätischen Konkordanz“ – kurz „Konkordanzsystem“ – umschrieben, eine Charakterisierung, die viel Zustimmung gefunden hat.

Mit Inge Gampl verbindet mich eine lange gemeinsame Zeit am Institut, die auch in gemeinsamen Lehrveranstaltungen und Publikationen ihren Niederschlag gefunden hat. Dabei durfte sie als eine Persönlichkeit und Wissenschaftlerin kennenlernen, deren Wirken von hoher Liberalität, persönlichem Ethos und großem Engagement geprägt war.
  
Gampl reiht sich auch in die Riege von Juristinnen und Juristen ein, die neben Ihrem Beruf intensiv kulturellen und künstlerischen Ambitionen frönten. Mit der ihr eigenen Konsequenz verband sie das Ende ihrer akademischen Tätigkeit mit einem Start in eine neue und durchaus facettenreiche Karriere. Dazu gehörte zunächst die Malerei und in der Folge vor allem ihre schriftstellerische Tätigkeit, die unter anderem in zahlreichen Kriminalromanen ihre Niederschlag gefunden hat.
 
Richard Potz



Foto: www.krimiautoren.at